Thomas Hauri (*1974)
Thomas Hauri malt grossformatige, perspektivische Ansichten von wirtschaftlichen und staatlichen Repräsentationsbauten in Aquarell auf Papier. Die menschenleeren Dar-stellungen konzentrieren sich auf formale Aspekte; weder konkrete Funktion noch Ort spielen eine Rolle. Hauri sucht die Gebäude auf und fotografiert sie. Meist dienen diese eigenen Bilder als Vorlage. In weiteren Arbeitsschritten löst er die architektonischen Ele-mente aus ihrem Kontext und benutzt sie als abstrakte Formen. Bei der Übertragung auf Papier bleiben die Gebäudefluchten wahrnehmbar, können jedoch leicht zu einer losen Anreihung von Rechtecken und Geraden mutieren.
In der Galerie Gisèle Linder sind sieben Arbeiten zu sehen, die alle um denselben Gebäu-dekomplex kreisen: Prora, das KdF-Seebad gigantischen Ausmasses auf RÜgen, welches von der nationalsozialistischen Regierung 1936 in Auftrag gegeben und wegen Kriegsan-bruch rohbaufertig hinterlassen wurde. Prora 3 bzw. 5, die beiden grossformatigen Arbei-ten, welche im ersten Raum der Galerie gezeigt werden und deren symmetrische Hängung Elemente der Architektur aufnehmen, bringen durch ihre Titel den Bezug zur realen Vorla-ge unmissverständlich ins Spiel. Damit wird die bis anhin gepflegte ‚Ortslosigkeit' der jewei-ligen Architektur aufgehoben und die Arbeiten werden mit einer realen Vergangenheit be-lastet. So wie sich der riesige Gebäudekomplex durch den stellenweise kaum sichtbaren Farbauftrag verflÜchtigt, entziehen sich die Möglichkeiten einer konkreten Interpretation. Stattdessen treten das verwendete Medium und die physische Reaktion des Papiers in den Vordergrund.
Erstmals zeigt Hauri ein Bild, welches als negative Umkehrung der bis anhin entstandenen Arbeiten bezeichnet werden könnte: Statt einer Aussenansicht, ein Intérieur, welches jedoch ebenso anonym und auf seine Formen reduziert bleibt. Anstelle einer Auflösung des Motivs durch graduelle Reduktion des Farbauftrags manifestiert der Innenraum seine Präsenz durch starken Gestus und dunkle Grautöne. Zusätzlich sind in der Ausstellung sechs kleine Studien zu sehen, welche Hauris Interesse an Form und Abstraktion bezeugen sowie zusätzlich die Verbindung zur realen Vorlage, Prora auf RÜgen, unterstÜtzen.
Maja Wismer, Dezember 2005
Jeannette Mehr (*1974)
Bei ihren Wandmalereien geht Jeannette Mehr immer von konkret gesehener und erlebter Architektur aus. Im modernen Bauen erkennt sie das Prinzip der Reduktion, dessen Logik sie in grossen Wandmalereien untersucht. Mehr fotografiert hauptsächlich Flachdachhäuser der anonymen Architektur meist aus den 30-er bis 70-er Jahren. Mittels Computer bearbeitet sie die Bilder, vereinfacht, reduziert und schält dabei die Logik der Fassade heraus.
Abstraktion und Reduktion, Prinzipien, die dem modernen Bauen innewohnen, erfahren in der künstlerischen Weiterbearbeitung eine Verdoppelung, bis die Fassade in eine einzige, plane Fläche zusammenklappt: Der erlebte Aussenraum wird im Innenraum als abstraktes Bild der Erinnerung lesbar.
Christina Végh
Regionale4
Kunsthalle Basel, 2003
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