Galerie Gisèle Linder
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Julije Knifer


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Julije Knifer
Acryl auf Leinwand, ohne TItel, 2003, 80 x 80 cm



1924 geboren in Osijek, Kroatien.
2005 gestorben in Paris.

Der Blick über dreissig Jahre zurück auf das Werk Julije Knifers, ein halbes Menschenleben lang, wenn er denn nicht historisch distanziert sein will, sondern von einer am Beginn der 90er Jahre engagiert fragenden Position ausgeht, stellt den jüngeren Betrachter, der nicht aus eigener Erfahrung die Situation um 1960 kennt und die Zeitspanne seitdem nur partiell im Kunstgeschehen miterlebt hat, in eine widersprüchliche Situation. Stilistisch wirken Knifers Arbeiten keinesfalls fremd, im Gegenteil, der an Minimal und Concept Art und besonders an der neokonzeptuellen Abstraktion der 80er Jahre geschulte Blick des Insiders identifiziert viel Griffiges, Bekanntes. Es fällt nicht schwer, Knifer mit den vertrauten minimalistischen Zeitgenossen aus den USA - Judd, Andre oder Noland -und aus Europa- Buren, Toroni, Morellet oder Manzoni - zu vergleichen. Die Radikalität der Reduktion im Malerischen, die ostentative Entleerung des Bildes von Bedeutung, seine Rückführung auf "objektive", konkrete Tatsachen der Malerei, sind eingängig und erschliessen sich unmittelbar dem intellektuellen Sehen. Und zweifellos ist diese Verbindung zulässig und richtig, zumal Knifer bereits in den frühen 60er Jahren gemeinsam mit einigen dieser Künstler an den Ausstellungen der"Neuen Tendenzen" teilnahm.

Doch anders als dem Werk vieler seiner Zeitgenossen und intellektuellen Weggefährten, fehlt jenem Knifers von Anfang an jener Entwurfscharakter die Modellhaftigkeit, die es vielen seiner Kollegen ermöglichte, in späteren Jahren ihre formale Strenge spielerisch zu variieren. Während sich Judd, Andre, Buren, Morellet oder Toroni seit einiger Zeit zunehmend für kontextuelle Fragen von Kunst interessieren und ihre Arbeit entsprechend einsetzen, halten sich Knifers Arbeiten mit einer fast schon unheimlich anmutenden Stringenz an den einmal Gewählten Artikulationsmodus. Knifers Werk eignet von Beginn an eine unübersehbare monolithische Wirkung, die mit dem Anwachsen des Oeuvres an Intensität gewinnt. Die monolithische Wirkung ist gewollt, denn Knifer sagt selbst, dass sich sein Werk nicht im traditionellen Sinne entwickeln soll: "My first paintings remind me of the future. I feel no need for progress in terms of either quality or quantity". Damit hebt es sich virtuell aus seiner unmittelbaren Zeitgebundenheit heraus. Diese radikale Geste der Verweigerung ist zugleich ein Mittel der Transponierung der Kunst in eine überzeitliche Existenz. Hierfür steht auch metaphorisch das Motiv des Mäanders, der das Werk Knifers seit 1959/60 ausfüllt. Ein Zeichen, das keinen Anfang und kein Ende hat, das also in Begriffen der messbaren Zeit nicht fassbar ist, damit aus der Zeit heraustritt. Dennoch aber bleibt ein Rest von Zeit im Werk erhalten, denn der Mäander ist zugleich eine bewegte Form, und die Bewegung impliziert das Vorhandensein von Zeit. So ist die einzelne Arbeit wie auch das gesamte Oeuvre von einer gleichmässigen Bewegung durchzogen, einer Art selbstreferentiellen, indirekten Zeitlichkeit, die keinen Kontakt mit dem Aussen aufnimmt: "I wanted to achieve rhythm and extreme contrasts. The simplest and the most expressive rhythm is monotony. Monotony is a slow and rhythm at once. From my work process a monotonous rhythm has emerged. Continuity matters, but chronology does not".

Diese besondere Zeitlichkeit verleiht dem Werk Knifers eine enigmatische Dimension und überträgt jenseits der konzeptuellen Ebene der Tätigkeit des Künstlers eine konstitutive Bedeutung, die sich grundsätzlich von der Konkretion anderer Künstler unterscheidet. Nicht nur das: sie wirkt in der Konsequenz auch auf Knifers Werk zurück, indem sie die formalistische Konzeption des "antipainting" unterläuft in Richtung auf transzendente Wirkungen. Knifer beschreibt das selbst so : "In 1959 I was obsessed with the idea of creating anti-painting. By a certain method of reducing forms and colours I achieved extreme forms of simplicity. The form of the painting was built in extremely contrasting colours - white and black..... The initial stage of my work on canvas consisted of covering the canvas in white. This was already a spiritual part, or spiritual conception of painting.... By adding black, white assumed form, or served for black to assume its form. And colours served solely to form the shape of the painting". Und etwas später: "White surface may be both a beginning and a disappearing of the painting".

In diesen Sätzen tritt die grundlegend transzendente Dimension, der eminent ethische Impuls der Arbeiten Knifers zutage. Es ist gerade diese Eigenschaft, die sein Werk heute so aktuell erscheinen lässt. Denn im Unterschied zu den meisten minimalistischen Künstlern der 60er Jahre und in Absetzung von ihnen haben jüngere Künstler wie Helmut Federle oder Peter Halley, auch Reinhard Mucha, Hubert Kiecol, Gloria Friedmann, Ernst Caramelle oder Franz Graf die Möglichkeiten subjektiven Ausdrucksvermögens der abstrakten Kunst untersucht und individuell weiterentwickelt.

Donald Kuspit hat kürzlich am Beispiel Federles die paradoxe Strategie des subjektiven Ausdrucks durch abstrakte Formen dargelegt und prinzipiell konstatiert: "Man hat die subjektiven Zielsetzungen in der postmalerischen Abstraktion aus den Augen verloren, wo man dazu tendierte, die abstrakte Kunst zu einer handwerklichen Uebung zu reduzieren als Teil des Versuches, diese gänzlich vom Subjekt zu befreien. Knifers Werk erscheint in der Rückschau als Versuch, beide Seiten des Phänomens im Kunstwerk zu synthetisieren: "....Als Projektion der Innerlichkeit beginnt die Form selbst subjektiv zu erscheinen. Die Form beginnt sich zu kristallisieren, sich spürbar zu machen : sie ist die Manifestation eines grundsätzlichen Begehrens, d.h. eines Wunsches nach Dasein, der den Wunsch mit einschliesst, man selbst zu sein und anders zu sein als man selbst (der einzige Weg, adäquat zu sein)".

Es ist dieser "Wunsch nach Dasein", der auch das Werk Knifers kennzeichnet, und den der Künstler selbst benennt, wenn er immer wieder darauf hinweist, er wolle nichts weiter als Fakten zeigen.

Damit steht Knifer in einer Tradition der Moderne seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, die auch durch die Ueberlegungen zu einer Seele der Posthistoire nicht an Virulenz für die Künstler verloren hat: das Problem der Legitimität des künstlerischen Tuns, der Authentizität von Künstler und Werk. Die Fragen nach der Identität des künstlerischen Subjekts und nach der Identität des Kunstwerks liess sich auch durch die strenge Selbstreferenz von Minimalismus und Concept Art nicht klären.

Knifer metaphorisiert diese Problematik in seinem Werk durch einen Aspekt, der bisher nur wenig Beachtung gefunden hat : die handwerkliche Ausführung jeder einzelnen Arbeit. Es fällt immer wieder auf, dass Knifer äusserste Sorgfalt in der technischen Ausführung der Gemälde und Zeichnungen übt. Diese handwerkliche Präzision verweist einerseits ein wieteres Mal auf die besondere Zeitdimension der Arbeit des Künstlers. Der virtuellen Ueberzeitlichkeit und faktischen "Objektivität" der abgeschlossenen Arbeit entspricht ein Herstellungsprozess, der allen zeitgemässen Produktionsformen widerspricht. Andererseits verweist gerade die Langwierigkeit und Handwerklichkeit des Herstellungsprozesses auf die fundamentale Bedeutung der Verwirklichung des Künstlers im gestischen Vollzug. Es gehört zur inneren Dialektik des Kniferschen Werks, dass genau dieser subjektivierende Aspekt im künstlerischen Handeln dem späteren Werk nicht mehr anzusehen ist. Wie sehr er dennoch für den Künstler im Zentrum seines Tuns steht, erschliesst sich in seinen eigenen Worten : "To me, in fact, time plays no role and it is irrelevant when a painting was made... Therefore I often return, with or without reason, to my old paintings and do them over, since at the moment of redoing them I am not aware of having done them before". Dieser rituelle Aspekt im Werk Knifers trägt indirekt zu seiner monolithischen Wirkung bei. In dieser Hinsicht trägt er bei zu einer gnostischen Zielsetzung, die Kuspic als grundlegende Motivation der abstrakten Kunst ausmacht". Darüber hinaus aber liegt hier ein wichtiger Grund für die Aktualität der Kunst von Julije Knifer.

Dr. Friedmann Malsch
Direktor Kunstmuseum Liechtenstein
Ausstellungskatalog der Dany Keller Galerie, Müchen 1990

 


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